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Was genau bedeutet eigentlich Selbstmarketing?25.05.2023

Keine Angst, Selbstmarketing bedeutet nicht, die Show der Marktschreier*innen vom Hamburger Fischmarkt zu imitieren und die eigene Kunst mit deftigen Sprüchen unter die Menschen zu bringen. Im Gegenteil! Selbstmarketing setzt feinere, subtilere Mittel ein, um auf die eigenen Fähigkeiten und das eigene Werk aufmerksam zu machen. Wer seine Kunst verkaufen will, sollte von sich reden machen. Es geht um ein professionelles, überzeugendes Angebot und eine zielgerichtete Kommunikation. Es geht darum, eine inspirierende Geschichte über sich und das eigene Werk zu erzählen und diese wirksam in die Welt zu tragen.
Auf Wikipedia heißt es: „Als Selbstmarketing werden alle Ansätze der systematischen und bewussten Selbstvermarktung bezeichnet. Dies erfolgt durch die Übertragung der Erkenntnisse des Marketings für Produkte oder Dienstleistungen auf die eigene Person. Ziel des Selbstmarketing ist es, die eigene Person als Markenpersönlichkeit zu etablieren, denn was in der Produktwerbung die Marken erfolgreich macht, kann auch zur Profilierung der eigenen Person dienen. Anliegen des Selbstmarketing ist nicht das künstliche Verstellen, sondern die bewusste Betonung der eigenen Stärken. Jede Person steht in ihrem sozialen Umfeld für eine Eigenschaft, eine Fähigkeit und das damit verbundene Wissen. Dieses gilt es, im Rahmen des Selbstmarketing herauszuarbeiten und bewusster (als bisher) zu unterstreichen.“ (1)
Es geht also darum, durch „die bewusste Betonung der eigenen Stärken“ auf sich aufmerksam zu machen und sich damit zielgerichtet auf dem Markt zu platzieren. Mit einem klugen und gezielten Selbstmarketing lassen sich Kunstbeflissene, Neugierige und Interessierte ebenso erreichen wie potenzielle Käufer*innen, Leiter*innen von Institutionen und Galerist*innen. So wird sich zum Beispiel eine Ausstellung herumsprechen, die neben einem hervorragenden Werk eine Besonderheit bietet. Eine solche Besonderheit wäre z. B. die Kooperation mit namhaften Kurator*innen, bekannten Redner*innen oder spannenden Interviewpartner*innen, ein spektakuläres Thema, ein exponierter Ausstellungsraum oder eine ungewöhnliche und neugierig machende Geschichte. Das sind nur einige Ideen innerhalb einer umfangreichen Palette an Möglichkeiten, die das Selbstmarketing bietet.
Wird keine Galerie auf einen aufmerksam, verspricht das Selbstmarketing einen Kundenstamm, den die Künstler*innen durch gezielte Promotion selber aufbauen können. Hierfür ist es wichtig zu wissen, was das eigene Ziel und wer die Zielgruppe ist. Geht es darum, international öffentliche Gebäude für Skulpturen- oder Videokunstprojekte zu gewinnen, ist es das Ziel, sich für den Verkauf der Kunst eine eigene Online-Plattform aufzubauen, will man sich im Stadtteil einen Namen machen und dort einen festen Kundenkreis etablieren, oder ist das Ziel ein ganz anderes? Alles ist möglich. Man sollte nur wissen, wohin die Reise geht, damit sich das Selbstmarketing gezielt darauf ausrichten lässt.

SELBSTVERMARKTUNG UND KÜNSTLERISCHE FREIHEIT – GEHT DAS?

„Kann man sich und seiner Arbeit treu bleiben, wenn man sich selber vermarktet?“, ist eine Frage, die oft gestellt wird. Dass das funktioniert, zeigen die Künstler*innen, die sich selbst vermarkten und dabei ihrem Anspruch und ihrem künstlerischen Werk treu bleiben. Selbstverständlich geht es in der Kunst darum, genau das zu machen, was man machen will, genau das zu sagen, was man sagen will, und genau das darzustellen, was man darstellen will. Es geht darum, sich selbst und seiner Arbeit treu zu bleiben, keine Kompromisse einzugehen und trotzdem gesehen und gehört zu werden.
In einem 2012 geführten Interview sagte die Musikerin, Fotografin und Autorin Patti Smith zu diesem Thema: „You know it´s just like one does their work for the people, and the more people you can touch, the more wonderful it is. … When I was really young, William Burroughs told me, and I was really struggling, we never had any money, and the advice that William gave me was:
,Build a good name. Keep your name clean. Don´t make compromises, don´t worry about making a bunch of money, or being successful, be concerned with doing good work, and make the right choices, and protect your work, and if you build a good name, eventually that name will be its own currency. " (2) „Mach dir einen guten Namen“, hatte Burroughs also zu Patti Smith gesagt. Und sie hat es gemacht. Mit allen Höhen und Tiefen, die die Zeit und der Weg mit sich gebracht haben, bis ihr Name ein Name wurde. Patti Smith hat sich, wie viele andere Künstler*innen, selbst vermarktet und ist sich und ihrer Arbeit dabei treu geblieben.
Anders drückt es der amerikanische Künstler und Kunstkritiker Jerry Saltz aus. Er schrieb 2021 auf seinem Instagram-Account: „If what you are painting is not for yourself, it won´t work“. (3) Auch darum geht es in der Kunst: jedes einzelne Werk erst einmal für sich selbst zu erschaffen, um es dann auf dem Markt anzubieten. Sich nicht für das zu verbiegen, was die Kund*innen wollen, sondern vielmehr die Käufer*innen zu finden, die genau das wollen, was man produziert.
Und auch Beuys hatte eine klare Haltung zum Thema „Vermarktung von Kunst“. Seine Kunstwerte-Theorie besagte: „Wenn ein Kunstwerk entsteht, beginnt es ein Eigenleben zu führen. In der Situation des Verkaufens wird es zum Tauschobjekt, aber später bei einem Sammler führt es dann wieder dieses Eigenleben“. (4)
Es geht um Verkauf, aber die künstlerische Freiheit ist und bleibt das oberste Gebot. Es sollte niemals darum gehen, einen Markt zu bedienen, sondern einzig darum, die Menschen zu finden, die dem eigenen Werk zugetan sind. Dabei ist allerdings ein wacher Blick von Bedeutung. Verkauft man manche Arbeiten besser als andere, entscheidet man sich aber trotzdem dafür, in den kommenden Jahren erst einmal die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, das keine Sichtbarkeit erlangt oder sich nicht so gut verkaufen lässt, ist das auch eine wirtschaftliche Entscheidung, die ihren Tribut fordert. Die Kunst besteht also darin, sich selber treu zu bleiben, aber dennoch ein Gespür dafür zu entwickeln, welche von den eigenen Werken Begehrlichkeiten bei Käufer*innen und Sammler*innen erzeugen.

Nichts anderes machen Galerist*innen. Sie versuchen das Geschäft zu befördern und suchen in den Ateliers der von ihnen vertretenen Künstler*innen nach Werken, von denen sie glauben, dass sie sich gut verkaufen lassen. An dieser Stelle haben die Kunstschaffenden allerdings einen entscheidenden Vorteil, denn Käufer*innen und Sammler*innen von Kunst haben grundsätzlich ein großes Interesse, mit den von ihnen auserwählten Künstler*innen persönlich in Kontakt zu treten, denn Käufer*innen von Kunst wollen zumeist nicht nur Kunst erwerben, sie wollen darüber hinaus auch an einem Lebensgefühl teilhaben.

QUELLENANGABEN

(1) de.wikipedia.org/wiki/Selbstmarketing, Wikipedia, 15.08.2022
(2) Louisiana Channel: Patti Smith Interview, YouTube, 06.12.2012, youtube.com/watch?v=L2EO3aXTWwg
(3) Jerry Saltz, Instagram, 05.07.2021
(4) Kunst ist Kommunikation: Jürgen Raap im Gespräch mit Linde Rohr-Bongard, Kunstforum Online, Band 179, 2006, S. 390ff